Orgel- und
Harmoniumwerkstatt
Thomas Reilich
Gelsenkirchen:
Physharmonika Ch. Dietz, Paris, Bj. 1833

Hier sehen Sie die Arbeiten an dieser tollen Physharmonika in einem kurzen Überblick.

Das Innenleben war fast stumm und gab nur einzelne Japser von sich.

Die äußerst kompakte Bauform und die einfache aber geniale Technik, begeisterten mich von Anfang an.

Das restaurierte Gehäuse wurde fertig angleifert.

li: Außerdem wurde die letzte Schicht mit Kontaktkleber aufgebracht, was sich schon wieder löste.

re: Da der Balg so nicht bleiben konnte, wurde er geöffnet. Zum Vorschein trat nichts Gutes.

z.B.: Das viel zu schwere Schöpfventil wurde auch noch mit Gummibändern gegen die Balgplatte gepresst.

Das größte Problem betraf den Balg. Vor lauter übereinander geklebten Lederschichten, lies er sich kaum bewegen.

Leinenbänder an den Falten sind ja richtig, aber doch nicht auf der Außenseite der Scharnierung!

Nach dem Ablösen der Lederschichten, kamen die Holzfalten zum Vorschein. Das sehr dünne Massivholz war oft mehrfach gebrochen.

Die Faltengeometrie sowie die Machart der Plattenscharniere, verhinderten eine geschmeidige Balgbewegung.

re: Da sich an diesem Balg viele Schichten fein zusammen legen können müssen, wurde der neue Balg aus Spaltleder gefertigt. Hier bekommen die neuen Faltenpaare ihre Lederbänder.

Daher wurden die alten Falten verworfen und neue aus 1,5mm starkem Birkensperrholz angefertigt. Die alten Balgplatten wurden beibehalten.

Ein vorangegangener Test ergab, dass sogar Zickelleder bei der Anzahl der Falten zu dick für die vorhandene Scharnierleiste der Balgplatte gewesen wäre. Mit diesem Leder klappte es aber nun.

Hier wurde bereits der Schöpfer auf der mittigen Trägerplatte fixiert und scharniert.

Der Aufbau ist sehr platzsparend. Die schräge Trägerplatte wird im Gehäuse verschraubt, unten hängt der Schöpfer, oben liegt das Magazin.

Da ich nicht jeden Tag einen so kleinen Mehrfaltenbalg mache, waren die Arbeiten auch für mich eine Herausforderung.

Nachdem auch noch das Papier sauber an Ort und Stelle war, machte sich Erleichterung breit.

So muss das aussehen! Allein durch sein Eigengewicht legt sich der Balg komplett zusammen. Nix zwickt, nix knarzt!

Hier sitzt der Balg schon im Gehäuse. Die mechanische Bedienung ist denkbar einfach.

li: Ein paar Zungen wurden recht unsensibel stillgelegt. Auch nach dem Entfernen konnte ich nicht sagen, mit was hier gearbeitet wurde.

Als nächstes wurde die Ventillade in Angriff genommen. Diese sitzt unmittlbar unter dem Klaviaturrahmen. Die Verbindung zwischen Taste und Ventil, stellen Fäden her.

Zwar liefen die Ventile alle gut, aber beim Hineinblasen war kein (!) Gegendruck zu spüren. Der Wind entwich durch alle Ventile gleichmäßig, obwohl sie hörbar schlossen. Im Bild sind die Fugen noch extra abgedichtet.

Grund war ein Konstrukionsfehler der Ventile, durch welchen sich der Belag am Ventilscharnier in Falten gelegt hatte.

Desswegen mussten die eingeleimten Ventile ausgebaut und entledert werden. Leider fielen dieser Arbeit auch die alten Fäden zum Opfer.

Nach langer Suche und "Vitamin B", bekam ich endlich einen passenden Ersatzfaden. Wurstgarn, 0,6mm!

Nach der Fadenaktion, wurden die Ventile neu belegt. Das zusätzliche Leder am Drehpunkt, verhindert ein Aufstülpen des Belages.

Auf das Einleimen der Ventile, folgte das Setzen der Federn. Eine wahre Geduldsprobe war das Durchfädeln der Traktur.

Die Fäden werden rückseitig über eine halbrunde Messingleiste nach oben zu den Tasten geführt.

Hier noch einmal die "verklebten" Zungen vor dem Ausbau, leider waren beide abgebrochen.

Die Ersatzzungen wurden von einer "normalen" Druckwind-Zungenplatte entnommen und angepasst. Die dickste Stelle misst 0,3 mm.

Alle Zungen wurden gangbar gemacht und nur wenige nachgestimmt.

Hier sieht man den fertigen Ventilkasten mit montierter Zungenplatte und Resonatorblock. Zusammen mit dem Klaviaturrahmen ...

... wurde die Lade dann ins Gehäuse gesetzt. Mit dünnen Papierscheibchen, musste die Klaviatur nun "gerade gelegt" werden.

Dann wurde die Lade wieder ausgebaut und die Fäden mit den Tasten verbunden. Durch Drehen der Stifte, kann die Traktur reguliert werden.

li: Das Gehäuse mit Balg wartet schon sehnlichst auf seine Ergänzung.

re: Klaviatur und Lade liegen mit ihrem Eigengewicht auf dem Balg und werden lediglich durch zwei seitliche Leisten in ihrer Lage fixiert.

Nach mühevoller Kleinarbeit und nervenaufreibender "Fadensuche", hat sich dieses Instrument am Ende in mein Herz gespielt. Zieht man einen Vergleich zum Harmonium oder Klavier, so hört man hier eher ein Cembalo. Die Ansparache ist gut, der Klang obertonreich, ja schon fast scharf, aber nicht aufdringlich. Die Zungenreihe in 4'-Lage ist angenehm und liefert ausreichend Bässe. Insgesamt ein sehr entzückendes Kleinod, welches ich nur schweren Herzens wieder aus der Werkstatt gebe.

Erbauer: Jean Chrètien (Christian) Dietz, Paris

Baujahr: 1833

System: Druckwind

Disposition: 1 Spiel 4'-Lage, C - c'''