Orgel- und
Harmoniumwerkstatt
Thomas Reilich
München:
Harmonium Alexandre, Paris, Bj. 1891

Ein Projekt, auf welches ich mich lange gefreut hatte, war die Restaurierung dieses Alexandre von 1891. Dem Instrument wurde einmal die Percussion geraubt, was nun rückgänging gemacht werden sollte.

Aber auch alles andere musste gründlich restauriert werden, daher stand am Anfang wie immer die komplette Demontage.

re: Unter Ver-wendung von Warmleim, stabilen Zulagen und vielen Zwingen, erhiet das Altteil sein neue Furnier.

Von der Trittleiste löste sich über weite Bereiche das Furnier, der verbleibende Rest sah auch nicht wirklich gut aus.

Nach der Demontage des Brettes, wurden die Furnierreste entfernt und die Fläche für das neue Furnier vorbereitet.

In der Zwischenzeit, kümmerten wir uns um das "restliche" Gehäuse. Der Furnierschaden der Trittleiste (durch Feuchtigkeit), zog sich im Inneren fort, allerdings wurden hier die losen Partieen nur stabilisiert. Auch Teile des Sockelprofiles, mussten neu verleimt werden.

Hier sieht man die neu furnierte Trittleiste nach dem Ölen.

Die alte Schellackoberfläche war noch gut, musste aber gründlich aufpoliert werden (schwitz!!).

Zusammen mit der neue Trittleiste (ebenfalls mit Schellack behandelt), waren wir mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

Nun ging es an die Überarbeitung des Balges samt Doppelexpression.

Die Trägerplatte der Schöpfer war stark verzogen (obere Platte). Auch die Magazin-balgplatte samt Falten, war durch einen falschen Federsitzt alles andere als "gerade".

Beim Ausbau der Doppelexpression mussten alle Schrauben mühsam mit dem Lötkolben vorbereitet werden, da sie vor lauter Rost sonst abbrachen.

Hier liegt die Balganlage schon in ihren Einzelteilen.

Mit dem Dampfreiniger, wurden die alten Beleimungen gründlich entfernt. Zum Trocknen wurden die Teile fixiert, in der Hoffnung, der Verzug würde sich minimieren.

Bis auf die Magazinbalgplatte, hatte dies auch funktioniert. Hier sieht man schon einen Schöpfer mit zusammengehängten Faltenpaaren.

Die Magazinbalgplatte konnte mittels geschraubten Gratleisten begradigt werden. Zudem liegt die Platte nun im Ruhezustend auf den Filzpostern und nicht auf den Falten.

In geschlossenem Zustand, wird die Platte samt Falten auf dem Windkasten positioniert und mit den Faltenscharnieren auf die Platte geleimt. Anschließend erhalten die Scharniere ihren Lederüberzug. Ist alles getrocknet, wir der Balg das erste Mal geöffnet (Bild re).

Die Faltenpaare der Schöpfer, wurden in gleicher Weise wie beim Magazin auf den Platten befestigt.

Über die stabilen Kalblederscharniere, wurden die Platten auf der Trägerplatte fixiert und die Falten angeleimt.

Hier sind die Schöpfer schon weit fortgeschritten. Auf die ledernen Scharnier-bänder, folgten die Zwickel (Lederecken).

Der Magazinbalg wurde in gleicher Weise verschlossen.

Bevor die Schöpfer aufgesetzt werde können, muss die Papierung so weit wie möglich abgeschlossen sein.

Nun kamen die Schöpfer an ihren alten Platz. Hohe Sorgfalt, muss man auf die Ausrichtung zwischen Schöpfer und Magazin legen.

Jetzt erhielten auch die Schöpfer ihr Papier.

Zum Schluss wurden die Schöpfventile eingesetzt und die Trittanhängung montiert.

!! Hochzeit !!

Was beim Autobau Karosserie und Motor, sind beim Harmonium Gehäuse und Balganlage.

li: Ein Blick in den Windkasten ohne Doppel-expression. Noch fehlen Fangventile und Dichtungen.

Die Doppelexpression wurde komplett demontiert und die Ventilbeläge erneuert. Die Belederung der Bälgchen war noch gut und konnte erhalten werden.

Alles drin, alles fest, alles geht. Wie es geht, stellt sich erst sehr viel später heraus.

Am Registerbrett gab es erst mal keine Veränderungen, aber natürlich wurde alles demontiert, gereinigt und entrostet.

Die Belederung der Registerventile war noch einwandfrei. Lediglich ein paar Schrauben waren abgerostet und mussten ersetzt werden.

Die Dichtwulst wurde unter Zuhilfenahme von Talkum, mehrmals aufmassiert

Mit der Demontage des Werkes, begann ein weiteres spannendes Kapitel dieser Restaurierung.

Hier liegt die Lade auf dem Aufzug. Man blickt von unten in die leere Kanzelle des 1. Spiels, wo eigetlich die Precussion sitzen müsste.

Aus einer kleinen Schlacht-Lade etwa gleichen Baujahres, wurde die Percussion entnommen.

Zunächst wurde die Lade bis auf die Zungen demontiert. Zum Glück waren keine größeren Risse in der Ventildecke zu beklagen. Das Rahmenteil der Percussion musste mit roher Gewalt entfernt werden, da es trotz Dichtung mit Leim an der Lade verschraubt war.

li: Azubi Jonas beim Ausbau der Zungen.

re: Nachdem der sorgsam aufgeleimte Leinenstreifen über den Percussions-Führungen entfernt war, wurden das alte Tuch ausgebohrt.

Beim Entfernen der Percussion war man recht gründlich. Sogar die kleinen Gewindestangen zur Führung der Holzgabeln waren weg.

re: In die ausgebohrten Führungen, wurde Tuch in passender Stärke eingeleimt.

Leider erwies sich die Spender-Precussion als eigenes Restaurierungsprojekt.

Neben all dem zerfledderten Filz und Leder, waren viele Federn gebrochen und Lagerstellen ausgelaufen. Hier ein Bild während dem Entledern.

Nachdem neues Leder und Filz aufgeleimt und die fehlenden Gewindestängchen samt Scheuerleder ersetzt waren, ging es an die Montage der Stecher.

Doch schon folgte der nächste Rückschlag. Die Geometrie der Ersatzhämmer verhinderte, dass die Hammernasen von den Holzungen erfasst wurde.

Nach einigen Überlegungen war klar, dass durch ein leichtes Abschrägen der Schraubleiste, die gewünschte Position erreicht werden konnte.

Nächster Dämpfer! So sah die Hammergeometrie im Original aus. Die Zungen waren trotz der kleinen Lade so weit von der Mechanik entfernt, sodass die Hämmer nun auf die Niete geschlagen hätten.

Nach vielen Versuchen (Stillänge, Position der Hammernase, Entfernung zu den Zungen etc.), fand ich dann die passende Geometrie.

Hier sieht man noch einmal gut den Vergleich zuwischen Original- (vorne) und neuer Länge (hinten).

Nach vielen, vielen Stunden, war die Percussion dann fertig für den Einbau.

Zum Glück mussten die Drückerleisten nur geringfügig angepasst werden, ebenso wie die Ruheleisten der Hämmer.

li: Die Ventilbeläge waren größtenteils in gutem Zustand und mussten lediglich gereinigt und talkumiert werde.

Für ein sauberes Spielgefühl, wurden alle Tastenführungen (Garnierungen) erneuert.

Nach der Reinigung der Registerdrücker, stand dem Einsetzen der Ventile nichts mehr im Wege.

Wie schon erwähnt, wurde die Percussion gründlich entfernt, so auch die Haltefedern auf den Ventilen. Leider war auch im Ersatzteillager nichts Passendes zu finden, so mussten alle Federn neu angefertigt werden.

Hier wird schon der Klaviaturrahmen für das Aufsetzen auf die Lade vorbereitet.

Mit Papierscheibchen zwischen 0,05 und 0,5mm, muss jede Taste einzeln am Waagbal-ken für die korrekte Höhe unterlegt werden.

Währenddessen wird immer wieder mit der Richtleiste kontrolliert.

Die "neue" Percussion, muss auch irgendwie bedient werden. Hier sieht man die sorgsam verschlossenen Originalbohrungen der Registerzüge.

Die Umlenkhebel der Registerzüge, waren noch vorhanden.

Nach dem Aufpolieren der Oberfläche, sah das Ganze dann so aus.

re: Fast komplett!

Noch fehlen Register-schildchen, Stoff und Medallie.

Ein besonderer Wunsch des Kunden, war der Einbau eines Tremolo in Spiel 4, welchen wir hier realisiert haben.

Zum Glück war in der Lade ein zusätzlicher Registerzug vorgesehen, aber nicht genutzt worden. Dieser wurde jetzt mit dem Tremolo besetzt. Im Bild sieht man den neuen Umlenkhebel.

li: Bevor es aber an die endarbeiten ging, Stand noch die Stimmung auf dem Programm.

re: Parallel tüftelte ich immer wieder an der Einstellung der Doppelexpression.

Ein passender Stoff und Teppich, konnte nach einiger Suche gefunden werde.

Hier sieht man die "neue" Disposition, mit den nachgefertigten Registerschildchen für "Percussion ou Cor anglais/Flute"

Um die Symetrie zu wahren, wurde das "Forte 3 et 4" nach außen verlegt und davor das "Tremolo" gesetzt.

Bis auf das Tremolo, hat man wieder das originale Erscheinungsbild.

re: Der frisch aufpolierte Schellack, feuert das Palisander-Furnier so richtig an. Bei guter Pflege, bleibt das auch so.

So schön war die Heckansicht das letzte mal 1891.

Nach harter und manchmal schwieriger Arbeit, konnte dieses wunderbare Alexandre "zurück ins Leben" gerufen werden. Klanglich steht es den berühmten Mustel's in nichts nach. Die Ansprache ist hervorragend, die einzelnen Stimmen schön differenziert, im Gesamtklang aber sehr harmonisch (kann man wörtlich nehmen). Die "neue" Percussion funktioniert einwandfrei und mit dem zusätzlichen Tremolo, ergeben sich neue Kombinationen. Ein voller Erfolg!

Erbauer: Alexandre, Paris, Bj. 1891

Disposition

System: Druckwind

Bass:

Diskant:

Klaviatur C - c'''', Teilung e'-f'

0 Forte 3 et 4

0 Forte 3 et 4

Kniehebel: Doppelexpression

V Violoncelle (1+3+4)

T Tremolo (neu, auf 4)

S Saxophone (1+4)

C Cornemuse (2+3)

4 Basson

C Celeste (eigener 16'+2)

3 Clairon

4 Hautbois

2 Bourdon

3 Fifre

1 Cor Anglais

2 Clarinette

1p Percussion ou Cor Anglais

1 Flute

1p Percussion ou Flute

G Grand Jeu

E Expression