Orgel- und
Harmoniumwerkstatt
Thomas Reilich
Imst:
Harmonium Peter Titz, Wien, Bj. ca. 1865

Auf den ersten Blick, schien die Überarbeitung diese Instrumentes einfach zu werden. Alle Teile waren vorhanden und es spielte halbwegs gut, bis auf die Perkussion. Doch, es sollte anders kommen.

An der Balganlage war zwar die Belederung der Zwickel noch ganz gut, aber die Scharnierung der Balgplatten löste sich auf.

li: Nach dem Ausbau von Werk und Balg, konnte mit der Reinigung des Gehäuses begonnen werden.

Beim Ausbau der Tritte, fielen mir die seltam verstümmelten Tritte auf, welche ohne diese Ausschnitte nicht an den Umlenkhebeln vorbei gegangen wären.

Während ich noch über Sinn und Unsinn der Trittverstümmelungen sinnierte, wurde die Schellackoberfläche des Gehäuses ordentlich aufpoliert.

Dann fiel der Groschen! Die Tritte bekamen einmal neue Scharniere. Um diese nicht in die Löcher der alten Scharniere schrauben zu müssen, wurden die Tritte versetzt, was zur Kollision mit den Umlenkhebeln führte. Daraufhin hatte man die Tritte entsprechend "zugeschnitten". Da die alte Bodenleiste schon schlecht im Zustand war und um die Tritte korrigieren zu können, musste eine neue Bodenleiste angefertigt werden.

Hier sieht man die Einzelteile der Umlenkhebel nach der Reinigung.

Die Form der Tritte wurde rekonstruiert und die oberen "Gratleisten" neu angefertigt.

Nun saßen die Tritte wieder am alten Platz und hatten kein Problem mehr mit der Mechanik.

li: Nun begann die Demontage der Balganlage.

re: Azubi Eric begann damit, die Lederstreifen der Kanäle zu entfernen, da sprang ihm die Trägerplatte der Schöpfer schon entgegen (Federn waren noch drin). Auch die restlichen Verleimungen der Kanäle, hielten nur noch durch die Lederstreifen.

Im Windkasten wurde schon beim Bau ein Steg zwischen Bass und Diskant eingefügt, sowie das Expressionsventil versetzt, um eine "Expression a la Main" zu ermöglichen. Dazu später mehr.

li: Der Balg war schnell zerlegt, nun musste alles von der alten Beleimung befreit werden.

Unter dem Einsatz des Dampfreinigers wurde schnell klar, dass der Balg schon einmal neu bezogen wurde.

Am Ende bleiben nur noch die rohen Holzflächen übrig.

re: Da es vorher auch so war und es dem Verzug durch einseitiges Beleimen vorbeugt, wurden auch die Innenflächen der Balgplatten papiert.

An den Balgplatten waren zahlreiche Risse zu beklagen. Diese wurden ausgefräst und ausgespant.

Hier ist der Neuaufbau des Magazinbalges in vollem Gange.

li: Nun kamen die Zwickel an die Reihe, hier am Magazin.

Nachdem die Faltenpaare an die Schöpferplatten geleimt waren, wurden diese mit dem neuen Lederscharnier auf der Trägerplatte befestigt.

Nach viel Vorbereitungsarbeit, konnten die Schöpfer dann mit dem Windkasten / Magazin verbunden werden.

Die gesamte Balganlage ruht auf seitlich im Gehäuse angebrachten Leisten und wird lediglich mit zwei Schrauben fixiert.

Hier nun die "Expression a la Main" (Ausdruck von Hand). Dieses Drehventil sitzt im Bassbe-reich über dem Expressionsventil und ist in unbetätigtem Zustand geöffnet. So ist ein ganz normales Expressionsspiel (Bass und Diskant gleich) möglich. Aktiviert man die "Expression a la Main", wird das Ventil fast geschlossen (gem. Einstellung). So hat man eine Art Bass-Sourdine und kann im Diskant expressiv spielen. Ein Einstellen der Sourdine über den Registerzug (mehr oder weniger) wäre prinzipiell möglich, ist aber an dieser Konstruktion nicht vorgesehen.

li: Nun kam das (übersicht-liche) Registerbrett zur Überarbei-tung.

re: Wie hart die Dichtwulst war, kann man hier gut erkennen.

re: Leider war die mit Gummi gefüllte Leder-wulst vollkommen hart und teilweise zerstört.

In den 1850ern, stellte Charles Goodyear seinen durch Zufall erfundenen "Gummi" in Paris anhand mehrerer Produkte aus. Offenbar wurde das Material von P. Titz gleich adaptiert. Auch sein Nachfolger Kotykiewicz setzte es noch ein.

li: Dia Anbauteile wurden alle entfernt und die Oberfläche überarbeitet.

Die Einzelteile wurden gründlich gereinigt.

Nachdem die Registerventile alle wieder montiert waren, wurde das Brett vorerst ohne Dichtwulst ins Instrument gelegt.

Nun ging es an die Überarbeitung der Lade.

Die Klaviatur war schnell abgenommen, dann folgten die Ventile.

Am Ventilbrett gab es einige Risse zu beklagen.

Instrumente mit in den Registerkanzellen liegender Mechanik, sind immer etwas aufwändiger.

Sämtliche Zungen wurden demontiert und durchliefen das Ultraschallbad.

Zur Behebung der Risse, wurden die Tonkanzellen mit Leim ausgegossen und gespannt.

Nachdem der Leim völlig ausgehärtet war, sah man das Ergebnis der Arbeit. Kein Riss mehr zu sehen, keine losen Bereiche feststellbar.

Die nun mit Leim verschlossenen Ventilschlitze, mussten aufgebohrt und mit der Handfräse versäubert werden.

Sodann erfolgte der Einbau der Zungen.

re: Nachdem die korrekte Materialstärke ermittelt war, folgte das Austuchen.

Da die Führungen der Perkussionsstecher neu ausgetucht werden mussten, war die komplette Demontage nötig.

Hierbei fanden sich weitere versteckte Defekte, wie lose Verleimungen an der Hammerleiste.

Schon sehr früh (oder als erster?) setzte P. Titz auf Spitzenlager, sog. Wiener-Kapseln. Das einzige Lederteil (Verschleißteil), ist hier das Polster auf der Hammernase.

Auf eine Belederung der Holzzungen wurde verzichtet. Dadurch ist die Mechanik zwar geringfügig (wenn überhaupt) lauter, jedoch viel beständiger.

Nachdem alle Teile auf Leichtgängigkeit überprüft waren, konnte wieder montiert werden.

Nun offenbarte sich ein weiterer Grund für die zahlreichen Ausfälle der Perkussion - eine sehr "individuelle" Regulierung.

Um die Regulierung korrigieren zu können, musste ein Dummie angefertigt werden, welcher exakt der Einbausituation entsprach.

Nach langwierigen Anpassungsarbeiten, war es dann endlich geschafft. Der ausgeglichene Abstand der Hammerköpfe zum Anschlag-punkt (Zunge), ist Grundvoraussetzung für eine gleichmäßige Ansprache.

re: Lade und Perkussion komplett. Nun folgte die Dichtwulst.

Da die Perkussion wieder angebaut war, konnten nun die Ventile eingesetzt werden.

Nicht unbedingt nötig , aber hilfreich - auf der Lade sind die Töne angeschlagen.

li: Der Einsatz von Wollschnüren, Filz und Gummi in den Dichtwülsten zeigt, dass Hersteller schon immer das Material verwendeten, welches ihnen geeignet erschien.

Ich entschied mich für eine Filzfüllung. Diese ist dauerhaft, günstig, in allen Stärken verfügbar und gut zu verarbeiten.

Das Registerbrett mit der neuen Dichtwulst.

Die Reinigung der Klaviatur gestalltete sich anfangs schwierig, da die Halteleiste der Tasten eine versteckte Schiebe-Arretierung hatte.

Die Registerzüge wurden demontiert und wie rohe Eier behandelt. Ersatz?- sehr teuer bis unmöglich!

Auch hier wurden die Oberflächen aufpoliert. Die Klavaiturabdeckung ging zum Restaurator, da die Intarsien teilweise beschädigt waren.

li: Das Ergebnis vom Restaurator? - alles heil und nahezu unsichtbar.

Ein wahrer Nervenkrieg, war dann die Einstellung der Registeschaltung der Perkussion. Entweder ging sie nicht genug "an" oder "ab" ....

... oder schlug an der Ruheleiste der Hämmer an oder, oder, oder ...

Auch das Zusammenspiel mit dem GJ, war eher als "delikat" zu bezeichnen.

re: Bei der an-schließenden Stimmung war die Perkussion derart im Weg, dass ich mich zum Ausbau der Hämmer entschloss.

Als die Perkussion wieder drin war, konnte der Klaviaturrahmen eingesetzt werden.

Nach dem Moderator, folgte das Einsetzen und Justieren der Tasten.

Stimmung fertig - Hämmer wieder drin!

Nun musste alles nocheinmal fein durchreguliert werden.

Bei den Stoffarbeiten entschied man sich für ein dunkles Grün, welches (wie ich finde) sehr edel mit dem tollen Nussbaum wirkt.

Auch die Tritte wurden mit entsprechendem Teppich bezogen.

Die Anhängung der Tritte an die Umlenkhebel, erfolgte mittels mehrfach gedrehtem und gewickeltem Flachsseil. Ursprünglich geschah dies mittels Eisenhaken, welche aber enorm laut ihren Dienst verrichteten und bis auf wenige Millimeter durchgescheuert waren.

Obwohl das Instrument über keine riesige Disposition verfügt, mach das Spiel darauf wirklich Laune. Die beiden Spiele sind ausnehmend schön und die Perkussion verleiht dem Klang einen gewissen Glanz. Da die Zungen sehr gut ansprechen, hat man einen enormen Dynamikbereich.

Erbauer: Peter Titz, Wien, Bj. um 1865

Disposition

System: Druckwind

Bass:

Diskant:

Klaviatur C - c'''', Teilung e'-f'

Forte zu 1 et 2 (steht da so)

Forte zu 1 et 2 (steht da so)

Basson (Abschwächung von 1)

Oboe (Abschwächung von 1)

2 Bordon (steht da so)

2 Clarinette

1 Percussion ou Cor Anglais

1 Percussion ou Flute

E Expression a la Main

G Grand Jeu

E Expression aux Pedales