Orgel- und
Harmoniumwerkstatt
Thomas Reilich
Imst (A):
Hörügel, Leipzig, Bj. 1914, Modell "Gloriosa"

re: Nicht nur das Äußere, auch das Innere sah bemitleidens-wert aus.

Dieses Projekt könnte man mit "vom Entlein zum Schwan" umschreiben, wobei "Entlein" für dieses große und eigentlich klanggewaltige Instrument wenig passend ist.

Da der neue Eigentümer recht groß gewachsen war und vom Crescendo-Kniehebel gerne gebrauch gemacht hätte, musste das Gehäuse um ca. 60mm "gestreckt" weden.

Doch zuvor stand der Ausbau an. Nach wenigen Handgriffen lag das Werk frei.

Kurze Zeit später, erblickte auch die Balganlage nach 100 Jahren wieder das Licht der Welt.

Nun konnte der Innenraum gründlich gereinigt werden.

li: Da die alte Lackschicht eigentlich nicht mehr vorhanden war, wurde das komplette Gehäuse auch noch von den letzten Schellackresten befreit.

re: Sogar die seitlichen Füllungen liesen sich mit etwas Überredungskunst aus dem Rahmen lösen.

Hier sieht man, dass einmal ein externes Gebläse angeschlossen war. Diese Füllung sollte ersetzt werden.

Da man das Gehäuse nicht nur einfach auf Füße stellen konnte (Tritte müssen ja unten bleiben), war eine gute Idee gefragt.

Während ich mich mit dem Gehäuse beschäftigte, fing Azubi Eric mit dem Zerlegen des Balges an. Vermutlich der schlechten Erbauungszeit geschuldet, bestand der Balg aber aus windigen Holzrahmen und dünnen Sperrholzplatten. Zudem waren die Rahmen an einigen Stellen bereits gerissen, sodass wir uns für eine komplette Neuanfertigung der Balganlage entschieden.

Auch die Magazinbalgplatte bestand aus Holzrahmen und dünnem Sperrholz. Da wundert es nicht, dass der Deckel auf dem Ausschnitt nicht nur verschraubt, sondern auch mit Silikon verklebt war.

re: Nach dem Beizdurch-gang, sah alles schon ganz prima aus. Nun fehlte noch der Schellack.

Am Gehäuse trug die zündende Idee bereits Früchte. Aus Sperrholz wurden Distanzstücke zwischen Seitenteile und Bodenrahnem eingepasst. Die Querleiste bekam eine entsprechende Verbreiterung.

Damit sich alles optisch gut einfügt, wurden die Neuteile in Nussbaum furniert.

re: Nach und nach entwickelte die Oberfläche ihren seidigen Glanz.

Schon bei der ersten Grundierung zeigte sich, welch wunderbaren Farbton das Gehäuse ursprünglich hatte

Das erste Zusammensetzen der Gehäuseteile konnte ich schon garnicht mehr erwarten. Das Gehäuse stand da, wie am ersten Tag. Die Erhöhung schadete den Proportionen nicht und fügte sich harmonisch ins Gesamtbild.

Doch noch fehlte etwas, denn das Instrument hatte ursprünglich einen Gehäseaufsatz, für den nun der Zuschnitt gemacht wurde.

Anhand von alten Abbildungen wurden Formen und Muster am Computer nachempfunden, zuerst auf's Papier und dann auf's Holz übertragen.

Nach ein paar Vorübungen, gelang die Reliefschnitzerei ganz gut.

li: Da unser Hocker "Modell I" für Klaviaturen in Normalhöhe ausgelegt ist, bekam dieser entsprechend hohe Kufen unter die Seitenteile. Diese sind abnehmbar, sodass die Hockerhöhe ggf. noch angepasst werden kann.

re: Nachdem alle Teile fertig bearbeitet waren, folgte die erste Montage.

Da wir schon mit Neuteilen zu tun hatten, wurde auch gleich ein passender Hocker aus Nussbaum angefertigt.

li: Hier liegen die Teile nach dem Beizen und Ölen zur Trocknung.

re: An diesem Ensemble konnte sich mein Auge gar nicht satt sehen.

Einige Grundierungen und Polierdurchgänge später, hatte das Aufsatzbrett seinen endgültigen Glanzgrad erreicht.

re: Dann konnten die Balgplatten schon scharniert werden, wie hier am Magazin.

Nach der Lackschwärmerei ging es wieder etwas handfester zu, die Einzelteile für die neue Balganlage wurden zugeschnitten und der Anschluß für das Fundamentbrett hergestellt.

Nach dem Zuschnitt der Kartonfalten und der neuen Bespannung, wurden die Schöpfer bezogen.

Dann wurden die Zuggurte befestigt und die Balgfedern eingesetzt. Nun folgte das Bespannen des Magazinbalges.

Zum Schluss wurden die Ecken vertärkt, die Dichtung zum Fundament aufgeleimt und die Schöpfventile angebracht.

Das Gehäuse war ja bereits fertig, sodass der Balg Einzug halten konnte.

Auch das Fundamentbrett musste erst saniert werden. Risse wurden ausgespant und verleimt, Löcher verschlossen.

Nachdem die Oberflächenbehandlung abgeschlossen war, setzten wir das Brett auf den Balg und fixierten es im Gehäuse.

Sieht alles so neu aus hier!! Und genau so funktionierte es auch.

Weniger "neu" sah allerdings das Werk aus, bei welchem nun das Zerlegen begann.

Die Demontage der Einzelteile wolle schier kein Ende nehmen, aber irgendwann war es dann doch geschafft.

Die Ausbeute des Zungenziehens war beachtlich.

li: Sämtliche alten Filz- und Lederteile wurden von der Lade entfernt, die alte Schellackober-fläche abgenommen.

li: Nachdem die passende Filzstärke ermittelt war, folgte der Zuschnitt und das Einleimen der Filze.

Nach ein paar kleineren Reparaturen an den Kanzellenschieden, wurde die Oberfläche erneuert, dann stand dem Neuaufbau nichts mehr im Wege.

re: Die Zungen durchliefen mittlerweile das Ultraschallbad und konnten nach der Trocknung des Leimes (am Zungenfilz) wieder in ihre Kanzellen geschoben werden.

Die Überarbeitung der Mutzen war ebenso langwierig wie anstrengend, denn die Klappen waren in keinem guten Zustand.

Auf die Registermechanik folgten die neu belilzten Stecher, die Okavkoppel und schließlich der Klaviaturrahmen.

Hier bin ich beim Geradelegen der Klaviatur. Durch das Einleimen dünner Papierscheib-chen, werden die Tasten ausgerichtet.

Nachdem das Gehäuse so schön war, sollte die Registerblende dem in nichts nachstehen. Noch war es nicht so weit.

Die Umlenkungen durchliefen das Ultraschallbad und wurden anschließend mit Stahlwolle abgerieben.

Einige Polierdurchgänge später, war die Registerblende bereit für die neuen Filzführungen der Registerzüge.

Die stark baesnspruchten Drücker waren alle zerschlissen und erhielten neues Tuch.

Die Montage war dann wieder ein Fest für die Augen - schwarz, rot, weiß - einfach toll!

Noch toller sah das Werk dann im Gehäuse aus. Nun erfolgte ein erster Testlauf :-))))))))

Wie man auf dem ersten Bild (ganz oben) sehen kann, fehlte der 3. Kniehebel, welcher nun anhand eines Musters (im Bild) nachgefertigt wurde.

Bevor es an die Lackierung ging, wurde der Hebel einmal ausprobiert. Die Mechanik ist denkbar einfach, aber es sollte sich nichts gegenseitig behindern.

Dann wurden auch diese Teile leicht überbeizt und mit Schellack behandelt.

Sieht aus, als wäre er nie weg gewesen.

Die originale Rückwand aus dünnen Holzrahmen mit Hasenstallgitter war nicht mehr zu gebrauchen und wurde durch einen Neubau ersetzt.

Die Schallöffnungen erhielten neue Stoffbespannungen.

Die ausgleichende Intonation und Stimmung, erfolgte in vorhandener Tonhöhe.

Gerade noch rechtzeitig, kamen die seit Wochen erwarteten Trittrahmen vom Galvanikbetrieb.

So muss das aussehen!!!

Erbauer: Hörügel, Leipzig

Modell "Gloriosa", Bj. 1914

System: Saugwind

Disposition (Teilung h°/c'):

Subbass 16' (Rep. A - h°)

Diapason 8'

Bourdon 8'

Viola 4'

Viola dolce 4'

Aeolusharfe 2'

Cornet Echo 2'

Bass Forte

Vox Humana

Oktavkoppel

Diskant Forte

Vox Jubilante 8'

Oboe 8'

So neigt sich ein außergewöhnliches Projekt mit einem außergewöhnlichen Instrument dem Ende entgegen. Bislang hatte ich den 3. Kniehebel von Hörügel immer etwas belächelt und für zeittypischen "Schnickschnack" gehaten. Dieses Instrument hat mich aber eines Besseren belehrt. Die Einrichtung ist deutlich sinnvoller wie z.B. die Mannborgs'che Pianissomo-Schaltung, wobei diese schon recht gut ist. Gepaart mit den gut differenzierten Zungenklängen der einzelnen Spiele, ist das Musizieren hier wirklich ein Hochgenuß.

Schalmei 8'

Musette 32'

Flöte 4'

Flúte d'Amour 8'

Melodia 8'

Cello 16'

Kniehebel:

li: Grand Jeu

mi: Bass-Forte

re: Diskant-Forte